Schöner S(c)hein: Ist die Kritik am chinesischen Onlinehändler sogar gut fürs Geschäft?

Shein, gegründet 2008, ist ein chinesischer Onlinehändler, der Fast Fashion zu extrem günstigen Preisen anbietet. Mit der schnellen und günstigen Umsetzung von Modetrends ist das Unternehmen sehr erfolgreich geworden. Vergangene Woche kam die Nachricht, dass der Online-Riese unter die regulatorischen Bedingungen des Digital Services Act (DSA) fällt. Und das ist nich das einzige Thema, mit denen man sich bei Shein juristisch und kommunikativ befassen muss.

Immer wieder hagelt es Bedenken gegen die Qualität, die Arbeitsbedingungen in den Fabriken oder die Nachhaltigkeit der Produkte. Kürzlich merkten zudem die Verbraucherschützer des VZBV an, dass man es mit manipulativer Menüführung zu tun haben könnte.  Sobald eine Kundin oder ein Kunde die Website verlassen will, ein Pop-up-Fenster mit dem Inhalt «Du könntest jetzt Gutscheine erhalten! Bist du sicher, dass du gehen willst?» erscheint. 

In Sachen DSA zeigt Shein bereits seine Kooperationswilligkeit. Und überhaupt: Könnte es sein, dass die Berichterstattung dem Unternehmen eher nützt als schadet?

Worum geht es beim Digital Services Act?

Die EU sieht Shein als Very Large Online-Platfform (VLOP), weil das Unternehmen mehr als 45 Mio. User monatlich hat – ein erheblicher Markteinfluss in Europa. Mit dieser Kategorisierung muss der Online-Händler aus China die strengsten Vorschriften gemäß des DSA einhalten. 

Der Digital Services Act regelt die Haftung von Online-Plattformen für illegale oder schädliche Inhalte. Der Gesetzgeber will damit die Verbreitung von Desinformationen eindämmen – analog dem hierzulande bekannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das durch den DSA größtenteils abgelöst wird. So sollen die Grundrechte der Bürger geschützt werden.

Doch warum fällt ein Modehändler unter den DSA?

Im Kern deshalb, weil Online-Plattformen wie Shein einerseits durch ihre schiere Größe eine Verantwortung im Sinne des DSA hat. Andererseits ist Shein auch ein großer Werbetreibender und insbesondere transparente Werbung und Kundenfreundlichkeit ein wichtiges Ziel der europäischen Verordnung ist. Ebenso möchte man unkontrollierte Warensendungen aus Drittländern bekämpfen.

Im Wesentlichen muss Shein nun bis August 2024 einen Risikobericht erstellen: Shein ist verpflichtet, die spezifischen systemischen Risiken zu analysieren, die sich aus der Verbreitung illegaler Inhalte und Produkte sowie aus der Gestaltung und dem Betrieb seiner Dienste und der damit verbundenen Systeme ergeben.

Darüber hinaus ist Shein verpflichtet, Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen, um Probleme wie das Anbieten und Verkaufen von Fälschungen, unsicheren Produkten und Artikeln, die geistige Eigentumsrechte verletzen, anzugehen. Diese Maßnahmen können die Anpassung der Nutzungsbedingungen, die Verbesserung des Designs der Benutzeroberfläche zur besseren Meldung und Erkennung verdächtiger Angebote, die Optimierung der Moderationsverfahren zur schnellen Entfernung illegaler Artikel und die Feinabstimmung der Algorithmen zur Verhinderung der Bewerbung und des Verkaufs verbotener Produkte umfassen, so die Kommission.

Was kann Shein also für mehr Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit tun?

Shein hat mit einem Hinweis auf seinem Portal bereits reagiert. Das ist ein erster guter Schritt. Bis zum August 2024 muss das Unternehmen nun die systemischen Risiken darstellen und wie es damit umgehen will. Es ist davon auszugehen, dass Shein dieser bürokratischen Verpflichtung nachkommen wird. 

(Wie ein solcher Risikobericht aussehen könnte, hat die EU-Kommission in einem Leitfaden vorgestellt. Ein paar wichtige Infos dazu geben wir am Schluss dieses Beitrags.)

Schaden diese Vorgänge der Reputation von Shein?

Man könnte auch meinen, dass die Befassung der EU die beste Werbung für den Händler ist. Schon in der Vergangenheit kam das Unternehmen in die Schlagzeilen und scheint den Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge zu sein. Doch bisher ohne weitreichende Konsequenzen. Der chinesische Fast-Fashion-Gigant steht im Rampenlicht der Berichterstattung - sowohl für seinen erstaunlichen Erfolg als auch für die kontroversen Aspekte seines Geschäftsmodells. Dabei ist das Unternehmen in guter Gesellschaft: Zalando, einer der großen Konkurrenten in Europa, zählt ebenso als VLOP und wird immer für irreführende Werbung gerügt. Ein schmaler Grat im hart umkämpften Onlinemarkt.

Denn Hand aufs Herz: Wer erwartet bei T-Shirts für drei Euro und anderen Billigstprodukte nachhaltige Lieferketten oder höchste Qualität? Somit ist die Empörung auf der einen Seite des Spektrums gleichermaßen das Glück des anderen: Durch diese News ist Shein jeden Tag in den Medien und immer verbunden mit dem Hinweis, fast schon einer direkten Werbung, dass es sich hier um unschlagbar gute Angebote handelt. Denn Geiz ist hierzulande immer noch geil.

Shein schafft es also, nicht nur sehr günstige Produkte herzustellen, sondern ist auch bei der Maximierung der Reichweite ganz weit vorn. Eine Strategie, die wohl aufgehen könnte.

 

Wie erstelle ich einen Risikobericht im Sinne des Digital Services Act?

Der Digital Services Act (DSA) verpflichtet große Online-Plattformen und Suchmaschinen zur Durchführung einer systematischen Risikobewertung und zur Erstellung eines Risikoberichts. Dieser Bericht muss die identifizierten Risiken und die getroffenen Maßnahmen zur Minderung dieser Risiken aufzeigen.

Die folgenden Schritte bieten einen Leitfaden zur Erstellung eines DSA-konformen Risikoberichts:

  • Risikokategorien:

    • Illegale Inhalte: Verbreitung von Hassrede, Terrorismuspropaganda, etc.

    • Desinformation: Verbreitung von Falschnachrichten, etc.

    • Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit: z.B. durch die Verbreitung von Gewaltvideos

    • Beeinträchtigung der Gesundheit von Kindern: z.B. durch die Verbreitung von Inhalten, die zu Magersucht oder Selbstverletzung anregen

    • Beeinträchtigung der Verbraucherrechte: z.B. durch die Verbreitung von betrügerischen oder irreführenden Inhalten

    • Spezifische Risiken: Analysieren Sie Ihr Unternehmen und Ihre Plattform, um die relevanten Unterkategorien innerhalb der Risikokategorien zu identifizieren.

    Datenquellen: Nutzen Sie interne Daten, Branchenanalysen und Expertenwissen, um die Risiken zu bewerten.

  • • Wahrscheinlichkeit: Schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die identifizierten Risiken eintreten.

    • Auswirkungen: Bewerten Sie die potenziellen Auswirkungen der einzelnen Risiken, falls sie eintreten sollten.

  • • Prävention: Entwickeln Sie Maßnahmen, um das Risiko des Eintritts der einzelnen Risiken zu verringern.

    • Erkennung: Implementieren Sie Prozesse zur Identifizierung und Entfernung von schädlichen Inhalten, falls sie doch auftreten.

    • Moderation: Etablieren Sie Verfahren zur Moderation von Inhalten und zur Behebung von Nutzerbeschwerden.

    • Transparenz: Informieren Sie die Nutzer über die Risiken und die getroffenen Maßnahmen zur Risikominderung.

  • • Dokumentieren Sie den gesamten Prozess der Risikobewertung und Risikoberichterstellung.

    • Berichtsformat: Der DSA schreibt kein bestimmtes Format für den Risikobericht vor. Achten Sie jedoch auf eine klare, strukturierte und leicht verständliche Darstellung.

    • Regelmäßige Aktualisierung: Der Risikobericht muss regelmäßig aktualisiert werden, um neue Erkenntnisse und Änderungen der Risikolandschaft zu berücksichtigen.

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Effektive Krisenkommunikation: Ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg